Stefan Osterider
Spricht man von der Natur der Malerei, so scheint scheinbar die Kunst im Widerspruch zur Natur zu stehen und sich einzig und allein auf die Immanenz des Mediums zu beziehen. Beide, Kunst und Natur, sind Systeme für sich. In beiden geht es darum, die Ursprünge ihres Sein wie auch ihrer Entstehung zu begreifen, und letztlich ist auch die Malerei als eine empirische Wissenschaft zu verstehen, basierend auf Farbenlehre, Harmonielehre und Bildkomposition. Wie verhält sich also dieser Dialog, wenn die Malerei Elemente aus der Formenwelt der sichtbaren Natur verwendet, ohne sie jedoch tatsächlich dokumentarisch abzubilden, sondern sich vielmehr nur mehr auf ihre Grundelemente bezieht, die sich in der Folge als abstrakte Kürzel in die Malerei zu transformieren? Der 1968 in Graz geborene Maler Stefan Osterider bewegt sich in diesem Spannungsfeld zwischen einer äußeren, sichtbaren Wirklichkeit und der Realität des Bildes, die er letztlich nur auf der Leinwand verhandelt und daraus ein charakteristischen Formenrepertoire entwickelte, das letztlich auch das Assoziationsfeld des Betrachters erweitert.
Stefan Osterider studierte am Salzburger Mozarteum eigentlich Druckgraphik, hat aber bereits während seines Studiums den Fokus mehr auf die Malerei gelegt. Ausgangspunkt vieler Bilder waren damals die Natur und die Landschaft, die zum Auslöser für seine „Abstraktionsstreifzüge“ wurden. In diesen Bildern waren die Versatzstücke der Landschaft noch sichtbarer als heute. Doch das Abbildhafte, Illustrative verschwindet, die Setzung der Farben und Formen im Bildgrund wird zunehmend wichtiger und der Zeichenduktus entzieht sich in der Folge jeder Beschreibung. Die Motive, die Stefan Osterider auch mittels Fotografie findet, dienen ausschließlich als Ausgangspunkt malerischer und graphischer Prozesse. So sind die Arbeiten von Stefan Osterider heute im eigentlichen Sinn ungegenständlich, auch wenn sie offen bleiben für Assoziationen.
Stefan Osterider entwickelt auf der Leinwand eine eigene Welt, die nicht im Widerspruch zur Natur steht, jedoch versucht, mittels der Möglichkeiten der Kunst den Ursprüngen jeglicher Gestaltung auf den Grund zu gehen und diese Grundelemente der Natur auf eine andere, vielleicht ungewohnte Ebene zu bringen. So gesehen, ist seine Malerei an einer besonderen Schnittstelle angesiedelt: dort, wo die beiden Systeme, jenes der Natur selbst und jenes der Malerei, zusammentreffen. Die Wahrnehmung der Natur und des Lebens erfolgt vor und parallel zur Formgebung im Kunstwerk, ohne jedoch in eine banale oder gar romantische Beschreibung zu verfallen. Dass dies vor allem in der Reduktion der Form am besten gelingt, ist evident, da hier eindeutig die Priorität im Dialog zwischen Wahrnehmung und Form beim künstlerischen Schaffensprozess liegt. Dies entspricht auch den Intentionen des Künstlers, der versucht, dem Wesen der Formen im Bild nachzuspüren und dies immer mehr zu verdichten und gleichzeitig zu reduzieren. Stefan Osterider sieht dies auch als philosophischen Dialog, den er selbst mit dem Bild der Leinwand führt, indem er einerseits versucht, mit der Farbe ein Art Tiefenwirkung zu erreichen und gleichzeitig jedoch Elemente bzw. Motive darüber legt, die an der Oberfläche bleiben und die Tiefenwirkung im eigentlichen Sinn wieder brechen - ein Prozess, der sich jeglicher schnellen, gestischen Malerei entzieht und eine gewisse Zeitspanne erfordert - etwas, das auch dem Wesen des Künstlers selbst entspricht.
[…]Eine wesentliche Bezugsquelle seiner thematischen wie formalen Motive ist die Fotografie urbaner Architektur. Vor allem blockhafte Häuser, allein stehende Wohnsiedlungen u.a. wecken sein Interesse. Sie sind in den Bildern jedoch nur noch als Fragmente, Kürzel wiederzufinden. Es sind architektonische Versatzstücke, die er auf dem Farbhintergrund zu ordnen versucht. Es sind Wegnetze, die auch tatsächlich in unserem Alltag vorkommen, Straßen, Leitsystem, Karten, U-Bahn Pläne, die er übersetzt und so neue Verbindungen und Knotenpunkte entstehen lässt. Was seine durchaus oft sehr unterschiedlichen Bilder verbindet, ist ein hohes Maß an Selbstreflexion, in der das Material der Malerei sich stets in den Vordergrund spielt. Es liegt etwas Rätselhaftes über den Bildern, die einen auch an den Dialog von Alexander von Humboldt mit Pater Zea in Daniel Kehlmanns Roman Vermessung der Welt denken lassen. „ Linien gebe es überall sagte Humboldt. Sie seien eine Abstraktion. Wo Raum an sich sei, seien Linien. Raum an sich sei anderswo, sagte Pater Zea. Raum sei überall! So Humboldt Pater Zea. Überall sei eine Erfindung...........
Vielleicht ist es aber auch so, wie Markus Lüpertz dieses Geheimnis interpretiert, das stets hinter den Bildern liegt. Denn dieses Rätselhafte ist, so Lüpertz, grundsätzlich die leidenschaftliche Motivation des Schaffenden, weil er sich gerne dort aufhält, „um mit der Situation des Unabsehbaren umzugehen.“
Silvie Aigner, Kunstverein Mistelbach, 2010